
Kreher kam wie aus dem Nichts zu WM-Gold
„Sensation“ setzt die Cinderella-Geschichte fort
27.01.2023, 16:49 Uhr
Susan Krehr reist ohne Weltcup-Sieg zur WM nach St. Moritz – und holt sich schnell den Titel. Dramatik wird im deutschen Skelett allmählich zur Gewohnheit. Die deutschen Rodler glänzten wieder, und Felix Lock hielt sich den Kopf – unter Tränen.
Susan Kreher brach in Gelächter aus, sie konnte nicht aufhören. „Das ist eine Sensation für mich, das hätte ich mir nie träumen lassen“, sagte der 24-Jährige nach dem WM-Aufruhr in St. Moritz. Kreher hat in ihrer jungen Karriere noch nie einen Weltcup gewonnen und nun ist sie plötzlich Weltmeisterin – wieder feiert das deutsche Skeleton eine Heldin aus der zweiten Liga. Die Geschichte von Cinderella wird alltäglich.
Denn Krehr tritt in die Fußstapfen von Hannah Neys und Christopher Grothier. Ein Jahr zuvor ging Nice ohne WM-Sieg nach Peking, wo er olympisches Gold gewann, und Grotheer begann erst im Alter von 27 Jahren mit dem Gewinnen – und gewann zwei Weltmeistertitel und Gold auf der größten Bühne des Sports.

Mutig stürzte sich Susan Krehr in den Eiskanal.
(Foto: IMAGO/Eibner)
In St. Moritz wurden Krehrs Vorbilder jedoch schwer beschädigt. Titelverteidiger Grothier war nach vier Läufen als Zehnter immer noch bester Deutscher. 4,14 Sekunden trennten ihn vom neuen Weltmeister Matt Weston aus Großbritannien. “Ich bin absolut enttäuscht, es war wirklich, wirklich schlimm”, sagte Grothier. Nach der Hälfte des Rennens am Donnerstag schalt er sich selbst und sagte, er sei “wie der schlechteste Amateur” gefahren. Allerdings erging es seinen Kollegen schlechter. Olympia-Zweiter Axel Junk hatte keine Chance und wurde mit knapp sechs Sekunden Rückstand 18. Felix Keisinger und Cedric Renner belegten die Plätze 12 und 16.
Nees, ein Jahr zuvor Olympiasiegerin, war in St. Moritz die schwächste deutsche Frau, ebenso wie die berühmte Heldin Kreher. Platz 15 nach vier Läufen, mehr als vier Sekunden Rückstand auf Krehr – eine Leistung, die dem nacholympischen Winter des 22-Jährigen entspricht. Titelverteidigerin Tina Herrmann war zweitbeste Deutsche, verpasste aber als Fünfte das Podium. Eine gute Sekunde trennte den Weltmeister 2016, 2019, 2020 und 2021 von der Spitze. Jacqueline Lawling ist Siebte. Krehr holte derweil mit bemerkenswerter Konstanz seinen ersten großen Sieg. Sie kam in jedem der vier Läufe unter die ersten Drei, was keiner anderen Konkurrentin gelang. Obwohl die Favoriten schwach waren, ging die Serie der deutschen Skeleton-Frauen weiter: Seit 2016 trägt die Weltmeisterin immer Schwarz-Rot-Gold.
Felix Locke in Tränen aufgelöst
Auch Rodler Felix Loach zeigte derweil Tränen und eine Siegesfaust auf dem Arm seines Sohnes. Ein Fahnenmeer und sein 14. WM-Titel zu Hause in Oberhof bewegten den Rekordweltmeister sichtlich. Mit einer fulminanten Fahrt sicherte sich der 33-Jährige im Sprintrennen zum Auftakt der Titelkämpfe im Thüringer Wald Gold – und setzte den fassungslosen Konkurrenten für den Einzelwettkampf am Sonntag ein deutliches Ausrufezeichen.
„Es ist etwas ganz Besonderes. Es ist nur der Sprint, aber man sieht einen Trend. Deshalb freue ich mich sehr auf das Wochenende“, sagte Loch nach dem Rennen. Vor IOC-Präsident Thomas Bach zeigte sich der Berchesgadener, der vor 15 Jahren in Oberhof seinen ersten Weltmeistertitel holte, pünktlich zum Saisonhöhepunkt in Bestform – und machte damit nach. Viele seiner Kollegen.
Davor stahl Dajana Eitberger allen die Show, als die 32-Jährige in ihrem Heimspiel ihren ersten WM-Titel holte. Weltmeisterin Julia Taubitz und Europameisterin Anna Bereiter holten Silber und Bronze, während Juniorin Merle Frebel mit einem starken vierten Platz ein furioses Auftaktergebnis krönte. „Ich bin hier aufgewachsen, das ist meine Heimat. Es ist eine kleine Leistung, aber ich habe hart dafür gekämpft“, sagte Eitberger.
Und im Doppel können sich die Fans bereits über die Edelmetalle freuen. „Thüringen-Express“ Toni Eggert und Sascha Benken zeigten sich im Heimspiel in Topform und gewannen Gold vor den Olympiasiegern Tobias Wendel und Tobias Alt. „Wir lieben die Bahn, hier sind wir zu Hause. Das macht einfach Spaß“, sagt der im Nachbarort Suhl geborene Eggert. Jessica Degenhardt/Cheyenne Rosenthal sichern ihr erstes WM-Gold im Sprint der Damen.