
San Francisco, Düsseldorf Mit dem Cloud-Dienst Azure und der Internetsuche Bing konkurriert Microsoft direkt mit Google. Die Teilnahme am KI-Chatbot „ChatGPT“ hätte der Gruppe einen deutlichen Vorteil verschaffen können. So oder so hofft CEO Satya Nadella 14 Jahre nach dem Start des Marktplatzes auf Wachstum, insbesondere für Azure. „Die Ära der künstlichen Intelligenz ist da und Microsoft treibt sie voran“, sagte Nadella während einer vierteljährlichen Telefonkonferenz einen Tag nach Bekanntgabe des Deals.
Bislang baut Microsoft seine Cloud-Dienste stetig aus – und nach jahrelanger Arbeit im Hintergrund können nun ganz neue Anwendungen eingeführt werden. „Wir haben die leistungsfähigste KI-Supercomputing-Infrastruktur in der Cloud“, sagte Nadella.
Er verwies ausdrücklich auf die Zusammenarbeit mit OpenAI. Einen Tag zuvor hatte Microsoft eine milliardenschwere Investition in das in San Francisco ansässige Unternehmen angekündigt und Zugang zu dessen Chatbot erhalten.
Mit ChatGPT hat OpenAI ein Sprachprogramm vorgestellt, das natürliche Sprache verstehen und auf Befehl komplexen Text generieren kann. Die DALL-E-Anwendung generiert Bilder basierend auf der Texteingabe. Wie Nadella betont, nutzen Firmenkunden diese Lösungen direkt in ihren Geschäftsprozessen: „Mehr als 200 Kunden von KPMG bis Al Jazeera nutzen sie bereits.“
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Konflikte gehören zum Geschäft. Aber Experten wie Hargreaves Lansdowne-Analystin Sophie Lund-Yates stimmen Nadella zu. Das KI-Geschäft steckt noch in den Kinderschuhen, aber Microsoft ist gut aufgestellt. „Der ChatGPT-Deal könnte auch für Microsoft ein Wendepunkt sein“, sagte Lund-Yates.
Es gibt viele vielversprechende Anwendungen, wie das allgegenwärtige „Büro“ mit einem Jahresumsatz von etwa 45 Milliarden US-Dollar. Künftig könnte das KI-Modell in Anwendungen wie das E-Mail-Programm Outlook, das Videokonferenzsystem Teams oder das Schreibprogramm Word integriert werden. Ein KI-Modell kann dort Vorschläge machen, wie man Sätze beendet oder besser und verständlicher macht, in eine andere Sprache übersetzen und grammatikalisch korrekt schreiben.
Microsoft und ChatGPT: Ist der Angriff auf Google echt?
Google dominiert seit Jahren den Internet-Suchmarkt – und verdient viel Geld mit Online-Werbung. Google hat einen geschätzten Marktanteil von 93 Prozent, während Konkurrenten wie Microsoft und Bing nur etwas mehr als drei Prozent haben.
Nun sprechen einige Experten über mögliche Veränderungen der Marktstruktur durch ChatGPT. Mit einem Chatbot kann Microsoft Bing so gestalten, dass Benutzer Suchanfragen wie ein Mensch stellen können und anstelle einer Liste von Links vollständige Antworten erhalten. „Google ist möglicherweise nur noch ein oder zwei Jahre von einer vollständigen Disruption entfernt“, sagte Paul Buheit vor einigen Wochen. Sein Wort hat Gewicht, ein Informatiker, der lange für Google gearbeitet hat und der Vater von Gmail ist.
Dies ist jedoch nicht klar. Beispielsweise macht ChatGPT noch viele Fehler, die oft an Unsinn grenzen und dennoch souverän präsentiert werden – dies ist in Fachkreisen als „KI-Halluzination“ bekannt. Künftig werden nicht mehr alle Suchanfragen über die ChatGPT-Instanz gestellt. Wenn Sie beispielsweise wissen möchten, wo sich eine bestimmte Apotheke befindet, möchten Sie keinen Aufsatz darüber lesen.
Microsofts Cloud-Dienst Azure bekommt ein Update
Aber auch die Beteiligung von ChatGPT an Microsoft kann dem Cloud-Geschäft im Wettbewerb mit Google helfen. Mit einem Marktanteil von 21 Prozent steht Microsoft Azure zweifellos hinter Amazon AWS an zweiter Stelle. Allerdings will Google Cloud elf Prozent erreichen und hat zuletzt Kunden mit Cloud-integrierten KI-Anwendungen überzeugt.
>> Lesen Sie hier: So funktioniert Microsofts Milliardenhoffnung ChatGPT
Mit ChatGPT macht Microsoft jetzt Schluss damit und will mehr. „Das ist eine Kampfansage“, sagt Saskia Pauly, Managing Partner bei der Branchenberatung Cloudtone. Kunden haben nicht nur Zugriff auf OpenAI, sondern Microsoft demonstriert auch Expertise in der ehemaligen Google-Domäne. „Dadurch kann Microsoft den Kunden sagen: Wenn wir OpenAI auf Azure ausführen können, kann das auch Ihr Machine-Learning-Modell“, sagt Pauli.
Der Softwareentwickler verfügt über das Kapital und die Tiefe der Integration mit Kunden, um leistungsstarke KI in großem Umfang auf den Markt zu bringen, sagt Eric Sobolewski, Leiter der Daten- und Technologiestrategie bei der Digitalagentur TLGG.
Der Wettlauf um die künstliche Intelligenz beginnt
„Fast jeder in der Wirtschaft ist in irgendeiner Form Microsoft-Kunde, und bald kann fast jeder kostengünstig mit ChatGPT und anderen Systemen experimentieren“, sagt der Datenexperte.
Das Cloud-Geschäft ist ein Wachstumstreiber. Das intelligente Cloud-Geschäft von Microsoft, zu dem auch Azure gehört, wuchs im letzten Quartal um 18 Prozent auf 21,5 Milliarden US-Dollar. Der Azure-Umsatz stieg um 31 Prozent. Obwohl das Wachstum deutlich langsamer war als in den Vorquartalen, hatten Analysten mit deutlich schwächeren Zahlen gerechnet.
Das Feld der „Generativen KI“, die Texte, Bilder oder Programmcodes generieren kann, gehört keiner einzelnen Gruppe an: Auch Google und Meta arbeiten beispielsweise aktiv an der Technologie. Daher könnten die Softwareentwickler bald Konkurrenz bekommen.
Erwarten Sie laut Datenexperte Sobolewski, dass Manager und Unternehmen bald weitere Beispiele dafür posten werden, wie sie die Technologie auf LinkedIn und Twitter nutzen. „Die Leute wollen zeigen, dass sie künstliche Intelligenz nutzen können“, sagt Sobolewski. Welche Auswirkungen die neue Technologie über das Marketing hinaus auf die Wirtschaft haben wird, ist für den Data Scientist noch nicht klar.
Microsoft: ChatGPT lenkt von schwachem Quartal ab
Die Integration künstlicher Intelligenz in Dienstleistungen und Herstellungsprozesse ist unerlässlich. Das ist nicht unerheblich: Laut dem Experten brauchen Organisationen zum Beispiel eine Strategie, um die notwendigen Daten zu sammeln und zu verarbeiten. Und sie müssen sich mit regulatorischen Fragen auseinandersetzen. “Da sehe ich gerade in Deutschland die größten Blocker.”
Mit der Präsentation der Quartalszahlen versuchte Nadella den Anlegern eindeutig eine neue Wachstumsstory zu präsentieren. Denn das vergangene Quartal verlief für das Softwarehaus durchwachsen.
Nadella verzeichnete das langsamste Wachstum seit sechs Jahren, wobei der Umsatz im letzten Quartal des vergangenen Jahres um 2 Prozent auf 52,7 Milliarden US-Dollar stieg. Der Nettogewinn fiel in den drei Monaten bis Dezember im Jahresvergleich um 12 Prozent auf 16,4 Milliarden US-Dollar. Microsoft hat die Erwartungen der Analysten in beiden Punkten verfehlt.
Quartalszahlen von Microsoft: Der Umsatz im PC-Geschäft ging zurück
Microsoft wurde im PC-Geschäft besonders hart getroffen, wo der Umsatz um 19 Prozent und das Betriebsergebnis um 47 Prozent zurückging. Während der Corona-Pandemie wuchs das Geschäft stark, als viele Menschen von zu Hause aus arbeiteten und sich dafür neue Computer kauften.
Aber dieser Spezialeffekt ist vorbei. Nach Angaben des Beratungsunternehmens Gartner ist der während der Corona-Pandemie stark gewachsene weltweite Absatz von Laptops und Desktop-Computern Ende 2022 um fast 29 % eingebrochen.
Dies betrifft direkt Microsoft. Das Unternehmen stellt selbst Computer her. Gleichzeitig ist es mit Windows das dominierende Betriebssystem. Die Anzahl der auf neuen Computern installierten Windows-Lizenzen ging um 39 Prozent zurück. Microsoft befragte seine Investoren zu schwachen Verkaufszahlen.
Mehr: Microsoft investiert „viele Milliarden“ in den ChatGPT-Entwickler OpenAI
Erstveröffentlichung: 25.01.2023, 08:15 (zuletzt aktualisiert: 25.01.2023, 16:59).